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Monarchien, Königreiche und Dynastien in Madagaskar

Madagaskar ist heute eine unabhängige Republik mit demokratischen Strukturen, wurde aber lange Zeit von verschiedensten Herrschern mit unterschiedlichen Machtansprüchen und Regierungsstilen geprägt. Die Liste der Herrscher und Könige, die sich auf Madagaskar ihr eigenes Reich geschaffen haben, ist sehr lang, denn die Monarchie hat auf bis heute eine lange Tradition auf der Insel. Auch heute noch lassen sich verschiedene Könige auf der Insel finden, jedoch verfügen diese längst nicht mehr über eine derart große Macht wie noch vor vielen Jahren. Die Monarchen, die heute noch existieren, sind auf einzelne indigene Volksstämme beschränkt. So existieren beispielsweise bei den Stämmen der Antaimoro sowie auch bei den Betsileo heute noch regierende Könige. Deren Einfluss beschränkt sich aber auf ihre direkten Untertanen aus den zugehörigen Stämmen. Die Geschichte der Königreiche, Monarchien und Dynastien auf Madagaskar ist nicht in jeder Hinsicht eine erfreuliche, denn viele Zeugnisse aus früheren Zeiten sprechen von schrecklichen Blutvergießen und teilweise grausamen und herrschsüchtigen Monarchen. Da allerdings nicht aus allen Epochen der Entwicklungen auf der Insel schriftliche Zeugnisse existieren, lassen sich viele Geschehnisse und Ereignisse heute nur noch bedingt rekonstruieren. Einige Artefakte und mündliche Überlieferungen können zwar als Quellen herangezogen werden, wie verlässlich darauf basierende Interpretationen sind, ist allerdings fragwürdig. Trotzdem möchten wir Ihnen nachfolgend einen umfangreichen Blick in die Geschichte der Monarchien, Königreiche und Dynastien in Madagaskar gewähren.

Die ersten Königreiche und Herrscher

Die Besiedelung Madagaskars ging in vielen verschiedenen Phasen und Abschnitten vonstatten, wobei die sich auf der Insel ansiedelnden Bevölkerungsgruppen häufig als Sklaven mit unterschiedlicher Herkunft auf die Insel kamen. Dementsprechend unterteilten sich die Menschen auf Madagaskar in viele kleinere Volksstämme, die jeweils nach eigenen Richtlinien und Gesetzen lebten und individuelle Territorien für sich beanspruchten. Wissenschaftler gehen mittlerweile davon aus, dass sich im 15. Jahrhundert vermutlich die ersten wirklich nennenswerten Königreiche auf Madagaskar zu formen begannen. Die beiden Königreiche der Sakalava waren wohl zwei der ersten nennenswerten Königreiche auf der Insel. Genauer gesagt handelte es sich hierbei um die Königreiche Boina und Menabe, die miteinander gewissermaßen regelmäßig im Krieg standen. Beide Monarchien zeichneten sich durch sehr imposante Verwaltungs- und Organisationsstrukturen aus, die von einem hohen Grad an Zivilisation zeugten. Die Sakalava verdeutlichten dies beispielsweise im militärischen Bereich: Von der Westküste Madagaskars bis hinüber zur Ostküste besaßen die Sakalava aufgrund ihrer militärischen Macht einen großen Einfluss. Die Eroberungspolitik, die beispielsweise verschiedene Kriege mit den Betsimisaraka mit sich brachte, ist ebenfalls ein weiteres Zeichen für den hohen Zivilisationsgrad der Sakalava. Etwas später formierte sich im Süden Madagaskars ein weiteres Königreich. Die Monarchie der Mahafaly findet sich auch heute noch in zahlreichen Spuren auf der Insel wieder, wie beispielsweise an den eindrucksvollen Grabstätten, die im Süden der Insel zu entdecken sind. Neben dem Königreich der Mahafaly entstanden zwei Dynastien der Anosy sowie das Königreich der Masikoro. Hinzu kommen dann später vier eigenständige Reiche der Betsileo sowie das Königreich der Antaimoro an der Ostküste Madagaskars. Die Betsimakara konnten schließlich im 18. Jahrhundert ebenfalls eine eigenständige Monarchie gründen und von den guten Handelsbeziehungen mit anderen Nationen profitieren, weil im Osten Madagaskars ein gut ausgebauter Handels- und Warenumschlagplatz etabliert war.

Die Merina-Könige – Eine Zeit voller Höhen und Tiefen

Den wohl größten und wichtigsten Einfluss auf die Entwicklung der Insel Madagaskar hatte das Volk der Merina, deren Herrschaftsanspruch erst durch das Eindringen der Franzosen im Zuge der Kolonialisierung gestoppt wurde. Die Merina stammen ursprünglich aus Indonesien und kamen einst als Reisbauern nach Madagaskar. Dieser Reis war es auch, der ihnen im Hochland zu einer vorteilhaften Stellung verhalf, da nur wenige andere Völker auf Madagaskar so viel vom Reisanbau verstanden wie die Merina. Diese und verschiedene andere Gründe sorgten dafür, dass die Merina immer größeren Einfluss auf der Insel besaßen und anschließend den ersten König präsentierten, der nicht nur über seinen eigenen Volksstamm zu herrschen gedachte. Dieser König mit dem Namen Andiranampoinimerinandriantsimitoviaminandriampanjaka, kurz Andrianampoinimerina regierte bis ins Jahr 1810 und brachte den Einwohnern Madagaskars nicht nur ein hilfreiches Werkzeug aus Europa, den Metallspaten, sondern begann auch damit die Expansion der Herrschaft der Merina auszuweiten. So wurden die Bara und die Betsileo dank der militärischen Strategie von Andrianampoinimerina recht schnell zu Untertanen in seinem Reich und der König erklärte den Ort Analamanga zum Mittelpunkt seines Einzugsgebiets, welches wiederum unter dem Namen Imerina bekannt wurde. Nach dem König Andrianampoinimerina, bestieg dessen Sohn Radama I den Thron und verfolgte noch deutlich ehrgeizigere Ziele als sein Vater. So bemühte sich Radama I um außenpolitische Beziehungen und knüpfte enge Kontakte nach Großbritannien und Frankreich. Veränderungen in der europäischen Politik kamen dem König Radama I sehr gelegen: Durch die Niederlage von Napoleon bei der Schlacht in Waterloo, versuchten die Seemächte Europas ihre Handelsroute und ihre Positionen zu stärken. Großbritannien besetzte die Inseln La Réunion und Mauritius und der dortige britische Gouverneur ließ einen Vertrag aufsetzen, laut dem allein König Radama I als Instanz auf Madagaskar anerkannt wurde. Infolgedessen kam es zu einigen wichtigen Reformen: So wurde beispielsweise der Handel mit Sklaven verboten und christliche Missionare kamen nun in Scharen auf die Insel. Zudem hielt auch die lateinische Schrift auf Madagaskar Einzug und die madagassische Sprache Malagasy wurde nun erstmals schriftlich festgehalten. Zusammen mit der Unterstützung durch die europäischen Großmächte gelang es Radama I, der auch Radama, der Große genannt wurde, auch die Betsimisaraka und die Sakalava zu seinen Untertanen zu machen.

Königin Ranavalona I – Eine grausame Herrschaft

König Radama I starb im Jahr 1828, wobei die Umstände seines Todes bis heute nicht näher bekannt sind. Neben der Theorie, dass er auf einem Feldzug starb, gibt es auch Gerüchte, dass er an einem übermäßigen Alkoholkonsum verstorben sein oder sich selbst das Leben genommen habe. Nach seinem Tod bestieg Radamas Witwe, Ranavalona I, den Thron und gleichzeitig begann eine Herrschaft voller Grauen und Schrecken, wie die Madagassen sie bis dato noch nicht gekannt hatten. Diese Schreckensherrschaft von Ranavalona I, die damit begann alle Angehörigen und Berater des ehemaligen Königs zu ermorden, brachte der Merina-Königin den Beinamen Ranavalona I, die Grausame ein. Durch die strukturellen Umwälzungen, die König Radama I noch bis vor wenigen Jahren vorangetrieben hatte, waren die Adligen der Howa, die vorab über einen großen Einfluss verfügt hatten, teilweise entmachtet worden. Die Königin Ranavalona I machte es sich zur Aufgabe ihnen wieder zu stärkerem Einfluss zu verhelfen. Zudem hielten von nun an erneut Wahrsager, Medizinmänner und Sternendeuter Einzug in den Palast, die wiederum mit sehr großen Befugnissen und Kompetenzen ausgestattet wurden. Welchen Einfluss diese Entwicklungen auf die Herrschaft von Ranavalona I hatte, ist bis heute nicht ganz geklärt, fest steht aber, dass die Königin sich weigerte, die einstmals mit Großbritannien geschlossenen Verträge weiterhin einzuhalten. Dies betraf vor allem den Punkt der Sklaverei, den Ranavalona I nicht akzeptieren wollte: Ranavalona I setzte sich über die beschlossenen Richtlinien hinweg und der Handel mit Sklaven wurde wieder legitim. Den traurigen Höhepunkt verzeichnete diese Entwicklung, als gut 90 Prozent der Bevölkerung Madagaskars als Sklaven tätig sein mussten.

Die verschiedenen Vorgehensweise der Königin riefen die britischen und französischen Militärmächte auf den Plan, die immer wieder eingriffen, um bestimmte Bevölkerungsgruppen wie etwa die Sakalava auf der Insel Nosy Be zu schützen. Trotzdem gelang es Ranavalona I sämtliche mit den europäischen Mächten abgeschlossenen Verträge zu revidieren bzw. einfach nicht zu akzeptieren und so wurden auch die christlichen Missionare, die erst wenige Jahre zuvor auf die Insel gekommen waren, wieder verbannt. Der christliche Glaube war der Königin ein Dorn im Auge und so entschloss sie sich rigoros und mit aller Härte und Grausamkeit gegen seine Anhänger vorzugehen. Rund 150.000 Menschen, darunter zahlreiche Anhänger des christlichen Glaubens, wurden von Ranavalona I vergiftet. Im königlichen Palast von Ambohimanga lässt sich auch heute noch das Tor entdecken, durch welches die für den Tod vorgesehen Madagassen schreiten mussten, um sich dort einen vergifteten Trank abzuholen. Diese grauenvolle Tat war jedoch nicht der einzige Weg, den Ranavalona I sich erdachte, um die ungeliebten Christen sowie den verabscheuten christlichen Glauben loszuwerden: In der Nähe ihres Regierungspalastet war eine christliche Kirche auf einem Felsen errichtet worden, von dem aus Ranavalona I alle Anhänger des Christentums hinabstieß, die ihrem Glauben nicht entsagen wollen. Dort wurde auch die erste christliche Märtyrerin Madagaskars, Rasalama, hingerichtet.

Die Herrschaft der Merina-Könige endet

Die politischen Machenschaften von Ranavalona I sorgten für eine immer stärkere Isolation der Insel Madagaskar und immer mehr Menschen am Hofe versuchten geheime Kontakte mit den Ausland zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, da sich immer stärker abzeichnete, dass Madagaskar zusammen mit Ranavalona I auf eine Katastrophe zusteuerte. Radama II, der Sohn von Ranavalona I, unterhielt beispielsweise enge Kontakte zu den in Antananarivo stationierten Franzosen und wurde so immer über die Geschehnisse außerhalb des Königreichs auf dem Laufenden gehalten. Leider war Radama II nicht mit einem außergewöhnlichen Intellekt gesegnet und verfasste einen Brief an Napoleon, in dem er diesen darum bat, die französische Streitmacht nach Madagaskar zu entsenden.  Dieser Brief kann als erster Schritt für die Machtübernahme der Franzosen auf Madagaskar angesehen werden. Hinter dem Rücken von Königin Ranavalona I ging Radama II aber noch einen Schritt weiter und unterzeichnete die sogenannte Lambert-Charta. Dieses Dokument sicherte dem französischen Geschäftsmann Joseph-Francois Lambert ein Nutzungsrecht für alle Landflächen und Wälder der Insel zu und erlaubte ihm zudem sämtliche Bodenschätze der Insel für sich zu beanspruchen. Den Merina musste er hiervon lediglich zehn Prozent abtreten. Im späteren Verlauf der Kolonialisierung waren diese Dokumente von großem Wert und untermauerten nach Ansicht der Franzosen deren Herrschaftsanspruch auf der Insel.

Als Königin Ranavalona I bemerkte, was sich hinter ihrem Rücken abspielte, versuchte sie zunächst noch alle Europäer von der Insel Madagaskar zu verbannen, aber da war es bereits zu spät. Rund vier Jahre später, im Jahr 1861 wurde Ranavalona I zur Aufgabe des Throns gezwungen. Zu diesem Zeitpunkt litt das Volk auf der Insel unter unerträglichen Zuständen, bei denen Mord und Zwangsarbeit eine wichtige Rolle spielten. Radama II bestieg nun den Thron und verschaffte dem Volk eine kurze Verschnaufpause.

Er versuchte viele Reformen, die einst von Radama I eingeleitet worden waren, wieder zu etablieren, schaffte die Zölle, die Todesstrafe und auch die Armee ab, lud gleichzeitig aber die europäischen Mächte in immer größerem Ausmaß auf die Insel ein. Als die adligen Teile der madagassischen Bevölkerung dies sahen, griffen sie in Form einer Intrige gegen den Merina-König ein, um nicht wieder ihrer Privilegien beraubt zu werden. Der Premierminister Rainivoninahitriniony, der von den Adligen der Howa angeheuert worden war, erdrosselte König Radama II vor den Augen seiner Ehefrau Rasoherina und ehelichte diese anschließend, um selbst die Macht auf der Insel übernehmen zu können. Nach dem Tode des ehemaligen Premierministers übernahm dessen Bruder die Kontrolle über das Land, der Rasoherina dafür ebenfalls ehelichte. Im Jahr 1868 bestieg dann erneut eine Frau den Merina-Thron: Ranavalona II, die Frau des Bruders des Premierministers. Sie war die erste Herrscherin, die eine anglikanisch-protestantische Taufe empfang. Während der Regentschaft von Ranavalona II übten die Briten einen großen Einfluss auf Madagaskar aus und vermochten es ihre Handelsmacht auszuweiten und Englisch als zweite Amtssprache auf der Insel zu etablieren. Nach dem Tod von Ranavalona II im Jahr 1883, erklomm Ranavalona III den Thron – sie sollte die letzte Merina-Königin auf Madagaskar werden.

Als Ranavalona III den Thron für sich einnahm, kam es zu einer ersten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Franzosen und Madagaskar, bei der es um das enorme Erbe von Jean Laborde ging sowie um die Umsetzung der sogenannten Lambert-Charta, die von Radama II unterzeichnet worden war. Im Zuge dieses Krieges ging die Stadt Antsiranana in den Besitz der Franzosen über und die Madagassen mussten die Franzosen zudem reich entschädigen. Die Zukunft des Landes Madagaskar wurde aber nicht auf der Insel selbst, sondern im Jahr 1878 in Berlin auf einem Kongress besiegelt. Dort entschieden die großen europäischen Mächte über die Verteilung der verschiedenen Kolonialstaaten. Nach dem ersten madagassischen Krieg wurde die Insel zum französischen Protektorat erklärt und es folgten zahlreiche blutige Auseinandersetzungen, in deren Folge die Königin Ranavalona III ins Exil nach Algerien verbannt wurde und Madagaskar zur französischen Kolonie erklärt wurde. Dies wiederum war jedoch erst der Beginn einer grausamen und blutigen Herrschaft voller unter Unterdrückung und Ausbeutung, die selbst die grausamen Herrschaftsjahre von Königin Ranavalona I noch in den Schatten stellen sollten.

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